Wichtigstes Thema: Borreliose?

Wir haben die große Nachfrage nach unserem Artikel Lyme-Borreliose zum Anlass genommen, das Thema noch einmal gründlich zu revidieren und übersichtlicher zu gestalten.

Wichtigstes Thema: Borreliose?

Thema der Woche, 13.07.2020 von Dr. med. Marlies Karsch
Derzeit wird unser Artikel zur Lyme-Borreliose von allen Artikeln (außer COVID-19) am häufigsten gelesen. Das kann keinesfalls mit der Häufigkeit der Borreliose in Deutschland zusammenhängen. Grund ist sicher die große Anzahl der Beratungsanlässe mit Fragen und Befürchtungen, die Patient*innen zu diesem Thema haben und mit denen Sie sich an Hausärzt*innen wenden. Wir haben die große Nachfrage zum Anlass genommen, unseren Artikel Lyme-Borreliose noch einmal gründlich zu revidieren und übersichtlicher zu gestalten.

Mit sommerlichen Temperaturen nimmt die Rate an Insektenstichen allgemein zu, aber auch die Zahl der Zeckenstiche steigt. Weit verbreitete Fehlinformationen, häufig auch aus zweifelhaften Internetquellen, führen dazu, dass Personen, die eine Zecke oder oft einfach nur einen geröteten Insektenstich an sich entdecken, sehr besorgt in die Arztpraxis kommen. Oft haben sie sehr genaue Vorstellungen, was jetzt diagnostisch und therapeutisch zu geschehen hat. Dabei sind eigentlich immer wieder die gleichen Fragen zu beantworten. In unserem Artikel finden Sie hierzu die passenden evidenzbasierten Informationen. So können Sie Besorgnis und Verunsicherung bei den Patient*innen ausräumen.

Zur Zeckenentfernung haben wir eine Information für Patient*innen zusammengestellt, die mit verschiedenen Gerüchten und Legenden aufräumt: kein Öl, kein Klebstoff, kein Drehen nach links oder rechts. Einfach Zeckenkarte oder Pinzette benutzen und gerade herausziehen. Eine sofortige Rötung ohne zentrale Aufhellung ist keine „Wanderröte“ und muss nicht behandelt werden. Eine Untersuchung der Zecke auf Borrelien ist nicht sinnvoll, da dadurch nichts über eine Übertragung gesagt werden kann.

Beruhigend könnte die Information wirken, dass es nach einem Zeckenstich bei nur 2,6–5,6 % der Fälle zu einer Infektion mit Serokonversion kommt. Lediglich 0,3–1,4 % der Betroffenen haben nach einem Zeckenstich Krankheitszeichen. Damit Borrelien übertragen werden können, muss die Zecke mehrere Stunden an der Einstichstelle gesaugt haben. Mit diesen Informationen kann auch schon die nächste Frage beantwortet werden: Nein, nicht jeder Zeckenstich muss prophylaktisch mit Antibiotika behandelt werden. Auch die häufig gestellte Frage nach einem Bluttest lässt sich schnell beantworten: Borrelien-Titer ohne typische Symptome, nur so zum „Screening“, sind nicht sinnvoll, weil Antikörper auch nach asymptomatischer Serokonversion vorkommen und keine aktive Borreliose beweisen. Auch bei einem klinisch eindeutigen Erythema migrans ist keine Borrelien-Serologie erforderlich.

Die Befürchtung, diffuse Symptome wie Müdigkeit oder Gelenkschmerzen seien häufig durch eine „verschleppte“ Borreliose bedingt, muss in der hausärztlichen Praxis auch immer wieder diskutiert und ausgeräumt werden. Hier lohnt sich ein Blick auf die Häufigkeit verschiedener Borreliose-Stadien. 90 % aller Betroffenen bekommen ein Erythema migrans. Chronische Neuroborreliose oder eine chronisch verlaufende Lyme-Arthritis sind erstens selten und gehen zweitens weniger mit diffusen, sondern mit typischen Symptomen einher, z. B. die Arthritis mit Schwellungen großer Gelenke. Die Existenz eines „Post-Lyme Syndrome“ ist wissenschaftlich umstritten. Die Bestimmung von Borrelien-Antikörpern ist hier wegen der hohen Seroprävalenz in der Bevölkerung nicht sinnvoll.

Für die antibiotische Behandlung der verschiedenen Krankheitsstadien gibt es klare Leitlinienempfehlungen, die in unserem Artikel übersichtlich dargestellt werden. Die Behandlung ist auch bei Neuroborreliose nach maximal 21 Tagen zu beenden. Für immer wieder auftauchende Empfehlungen einer Dauerbehandlung gibt es weder Evidenz noch eine Leitlinienempfehlung. Eine häufig nachgefragte „Zeckenimpfung“ hilft zwar nicht gegen Borreliose, ist aber trotzdem in FSME-Risikogebieten zu empfehlen. Informationen hierzu bietet unser ebenfalls aktuell revidierter Artikel FSME.

Marlies Karsch, Chefredakteurin

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