RKI-Empfehlungen zu COVID-19 – Welche Neuerungen gibt es und wer versteht sie?

Das RKI ändert seine Empfehlungen für die Teststrategie und schafft mehr Unklarheit.

RKI-Empfehlungen zu COVID-19 – Welche Neuerungen gibt es und wer versteht sie?

Thema der Woche, 09.11.2020 von Dr. med. Marlies Karsch
Testlabore in Deutschland stoßen derzeit an ihre Grenzen. Manche haben schon Überlastung angemeldet. Das RKI hat unter anderem deswegen seine Empfehlungen für die Teststrategie am 3. November geändert, um hier für Entlastung zu sorgen. Das bisher noch relativ übersichtliche Flussschema Orientierungshilfe für Ärztinnen und Ärzte wurde deshalb umgeschrieben.

Jetzt erscheint auch auf den zweiten Blick unklar, was eigentlich gesagt werden soll: Personen mit einem schwereren respiratorischen Krankheitsbild oder Personen mit einer Verschlechterung eines respiratorischen Krankheitsbildes sollen auf SARS-CoV-2 getestet werden. Hier kann man sich fragen, was der Unterschied zwischen diesen beiden Gruppen sein soll, da kaum ein schwerer respiratorischer Verlauf bei COVID-19 schlagartig beginnt. Außerdem sollen weiterhin meldepflichtige Verdachtsfälle getestet werden, also Menschen mit „Symptomen" ohne weitere Eingrenzung und Kontakt mit einem COVID-19-Fall. Was ist mit „Symptomen" gemeint? Auch Magen-Darm-Symptome? Dann sollen noch Personen mit Störung des Geruchs- und Geschmackssinns getestet werden. Hier wäre ein „oder" sinnvoll gewesen. Manche COVID-19-Erkrankte haben ja nur eines dieser Symptome.

Es folgt eine nicht weniger unübersichtliche Aufzählung weiterer zu testender Personengruppen, also Patient*innen mit akuten respiratorischen Symptomen und zusätzlich zu erfüllenden Kriterien. Diese Kriterien sind zunächst Zugehörigkeit zu einer Risikogruppe oder Tätigkeit im pflegerischen und medizinischen Bereich, was einleuchtend ist. Des Weiteren sollen Personen nach Exposition getestet werden, zum Beispiel nach Besuch einer „Veranstaltung mit unzureichender Einhaltung der AHA+L-Regeln" oder mit „während Symptomatik Kontakt zu vielen Personen" oder „prospektiv enger Kontakt zu vielen Personen oder Risikopatient*innen". Diese Empfehlung verwundert etwas, da diese drei Szenarien in Deutschland gegenwärtig gar nicht erlaubt sind (außer das Letztere in Friseursalons, Kitas und Schulen). Ein weiteres Testkriterium für Menschen mit akuten respiratorischen Symptomen ist der Kontakt im Haushalt oder zu einem Cluster von Personen mit akuter respiratorischer Erkrankung ungeklärter Ursache, aber nur bei einer 7-Tages-Inzidenz > 35/100.000. Im derzeitigen Lockdown ist so ein erkältetes Cluster ja am ehesten in Schulen und Kitas anzutreffen, in denen weiterhin keine Abstandsregeln eingehalten werden können. Ist das hier gemeint? Die genannte 7-Tages-Inzidenz ist jedenfalls deutschlandweit kaum mehr unterschritten. Soweit so unklar. Bisher wurde eine Testung „bei akuten respiratorischen Symptomen bei allen Patient*innen unabhängig von Risikofaktoren" empfohlen. Diese „Universalempfehlung" ist jetzt trotz aller Unklarheiten doch eingeschränkt.

Zeitgleich mit der neuen Teststrategie hat das RKI auch eine Empfehlung zum Vorgehen bei akuten Atemwegserkrankungen während der Pandemie herausgegeben: Personen mit Atemwegserkrankungen sollen sich für 5–7 Tage zuhause auskurieren, wenn keine zusätzliche ärztliche Behandlung erforderlich ist. Diese Empfehlung gilt auch für Schul- und Kita-Kinder und dient damit der Entlastung von Schulen und Kitas durch den Schutz vor Ausbrüchen von akuten respiratorischen Infekten. Bisher wurde von Behörden, Schulen und Arbeitgebern die Direktive ausgegeben, dass leichte Erkältungssymptome wie Schnupfen und leichter Husten kein Grund seien, dem Arbeitsplatz oder Unterricht fernzubleiben. Auch verschnupfte KiTa-Kinder sollten nicht zuhause bleiben. Eine völlig unverständliche Anweisung, angesichts der Tatsache, dass sich COVID-19-Symptome bei leichtem Verlauf nicht von Erkältungen unterscheiden lassen. Es ist möglich, dass der derzeitige Anstieg der Fallzahlen durch diese bisherigen Vorgaben mit verstärkt wurde. Diese Empfehlung des RKI war lange fällig, es fragt sich, warum sie nicht früher ausgesprochen wurde. So sollen jetzt die Testkapazitäten geschont und für diejenigen Personen aufgespart werden, die aus medizinischen oder epidemiologischen Gründen einen Test dringender brauchen als alle Personen mit Erkältungssymptomen.

Marlies Karsch, Chefredakteurin