Rücksichtsvolle Sprache in Deximed

In allen unseren Artikeln achten wir darauf, Betroffene nicht mit ihrer Erkrankung gleichzusetzen.

Rücksichtsvolle Sprache in Deximed

Thema der Woche, 22.02.2021 von Dr. med. Marlies Karsch
Im Juli 2021 haben wir Ihnen, liebe Kolleg*innen, angekündigt, dass wir in Deximed-Artikeln gendergerechte Sprache verwenden möchten. Um männliche, weibliche und diverse bzw. nicht-binäre Leser*innen in gleicher Weise zu berücksichtigen und anzusprechen, haben wir das Gendersternchen eingeführt, das wir nach und nach in allen unseren Artikeln ergänzen werden. Einige von Ihnen haben darauf sehr positiv reagiert. Die meisten haben dazu keine Rückmeldung an uns gegeben. Es gab nur zwei negative Feedbacks, das eine war eine empörte Reaktion eines Kollegen, das andere nur ein freundlicher Hinweis, dass das Gendersternchen den Lesefluss stören würde.

In unseren Artikeln achten wir grundsätzlich auf einen rücksichtsvollen, nicht stigmatisierenden, Sprachgebrauch. Da die meisten unserer Artikel zunächst aus dem Norwegischen übersetzt und dann von uns in der Regel umfangreich überarbeitet werden, haben wir zunächst Artikel in mehr oder weniger guter Übersetzungsqualität vorliegen. Manchmal stellen wir fest, dass durch eine qualitativ schwache Übersetzung wenig sensible Formulierungen in den Text geraten sind. Solche Artikel bleiben erst einmal unveröffentlicht.

Ein solches Beispiel ist der jetzt neu veröffentlichte Artikel zum Klinefelter-Syndrom. In der direkt übersetzten Rohfassung fanden sich unbeabsichtigt diskriminierende Formulierungen, die aus unserer Sicht nicht tolerabel waren. Nach einer grundlegenden sprachlichen und inhaltlichen Revision liegt dieser Artikel zu einem Thema, das einige sprachliche Fallstricke bietet, nun in rücksichtsvoller Sprache vor. Zur Erklärung, was uns wichtig ist, möchte ich einige Beispiele nennen: Wir lehnen selbstverständlich in diesem Zusammenhang leider immer noch geläufige Begriffe, wie „eunuchoide Körperproportionen" oder „unterentwickelte Genitalien" ab. Für Patient*innen mit Varianten der Geschlechtsentwicklung und -Identität streben wir außerdem keineswegs „Normalität“ als Behandlungsziel an. Ziele sollten immer Beschwerdefreiheit, Wohlbefinden sowie Akzeptanz durch Betroffene und ihre Umwelt sein.

In allen unseren Artikeln achten wir darauf, Betroffene nicht mit ihrer Erkrankung gleichzusetzen. Wir sprechen also nicht von „Diabetiker*innen“ oder „Epileptiker*innen“. Menschen mit Behinderungen werden bei uns nicht als „Behinderte“ bezeichnet, Geflüchtete nicht als „Flüchtlinge“ oder Asylanten“, Fehlbildungen nicht als „Missbildungen“ und, falls Ethnizität bei einer Erkrankung wirklich eine nennenswerte Rolle spielt, vermeiden wir rassistische Formulierungen, wie „häufiger bei Afrikaner*innen“. Mit unseren internen Leitlinien zum rücksichtsvollen Sprachgebrauch möchten wir unbeabsichtigt sexistische, rassistische, stigmatisierende und diskriminierende Sprachgewohnheiten aus unseren Artikeln verbannen. Unsere Texte sollen sensibel und sensibilisierend für alle unsere Leser*innen sein. Auch Betroffene, die unsere Patienteninformationen lesen, sollen sich bei Deximed wahrgenommen und verstanden fühlen.

Um Wahrnehmung geht es auch beim Gendersternchen. Wir nehmen wahr, dass es eine große geschlechtliche Vielfalt auch unter unseren Leser*innen gibt, und tragen dem Rechnung, indem wir das Gendersternchen verwenden. Alle sollen sich angesprochen fühlen und niemand mehr ausgeschlossen werden. Um die Texte nicht mit Sternchen zu überfrachten, verwenden wir auch Begriffe, wie „Betroffene“, „Erkrankte“ oder „Studierende“. Wie Sie sicherlich bemerkt haben, empfehlen wir nicht mehr die Überweisung „zum Urologen", sondern an die Urologie. Außerdem geben wir Empfehlungen zur Diagnostik „bei Spezialist*innen“ und nicht mehr „beim Spezialisten“. Um in zeitgemäßer Weise rücksichtsvoll und gendergerecht zu kommunizieren, muss die Sprache manchmal einen kleinen „Schubs“ bekommen. Einige Neuerungen sind gewöhnungsbedürftig und auf den ersten Blick irritierend. Aber bitte denken Sie daran: Beim Gendersternchen geht es nicht um Schönheit, sondern um Gerechtigkeit, und da kann eigentlich niemand etwas dagegen haben, oder?

Marlies Karsch, Chefredakteurin