Wissenswertes zur Verhütung

Eine wichtige hausärztliche Aufgabe im Zusammenhang mit hormonellen Kontrazeptiva ist die Beachtung von Medikamenteninteraktionen.

Wissenswertes zur Verhütung

Thema der Woche, 07.06.2021 von Dr. med. Marlies Karsch
Die meisten Mädchen und Frauen lassen sich zur Verhütung bei ihren Gynäkolog*innen beraten. Dennoch ist das Thema Verhütung auch im hausärztlichen Praxisalltag ein wichtiges Thema. Patient*innen erhalten beispielsweise Folgerezepte für ihre „Pille“ in der Hausarztpraxis oder möchten zur „Pille danach“ beraten werden. Auch Nebenwirkungen oraler Kontrazeptiva können Grund für eine Konsultation bei Hausärzt*innen sein, z. B. Thromboembolien, Lebertumoren oder depressive Verstimmungen. Außerdem sollte bei der Verordnung von Medikamenten an mögliche Wechselwirkungen mit hormonellen Kontrazeptiva gedacht und aktiv nach der Einnahme gefragt werden. Wir haben unseren Artikel Kontrazeption, Methodenwahl und die dazugehörigen Patienteninformationen Verhütungsmittel, Methodenwahl und Postkoitalpille – „Pille danach“ umfassend revidiert und aktualisiert.

Ein Folgerezept für eine „Pille“ sollte nicht ohne weiteres ausgestellt werden. Es lohnen sich ein kurzer Blick auf das verordnete Präparat und eine Frage nach der Einnahmedauer. Im ersten Einnahmejahr ist das Thromboserisiko am höchsten. Es hängt wesentlich von der Art der Gestagenkomponente ab. Bei Pillen der sogenannten 1. und 2. Generation mit Levonorgestrel, Norethisteron und Norgestimat ist das Thromboserisiko am geringsten. Bei Pillen der 3. und 4. Generation mit Gestoden, Drospirenon und Desogestrel ist das Risiko deutlich erhöht. Patient*innen, die ein Rezept für eine Pille der 3. und 4. Generation wünschen und diese erst seit weniger als einem Jahr einnehmen, sollten auf die Risiken hingewiesen werden und bezüglich eines Wechsels auf ein sichereres Präparat beraten werden. Falls die Patient*innen nicht regelmäßig zur gynäkologischen Kontrolle gehen, sollte an eine halbjährige Kontrolle des Blutdrucks gedacht werden.

Sollten sich Patient*innen im gebärfähigen Alter mit V. a. TVT oder Lungenembolie in der Hausarztpraxis vorstellen, sollte immer nach einer Einnahme oraler Kontrazeptiva, Verwendung von Verhütungspflastern oder eines Vaginalrings gefragt werden. Dies gilt auch bei klinischen Fragestellungen wie arterieller Hypertonus, Kopfschmerzen, Schwindel, Ödemen, Leberadenome, Akne oder Haarausfall. Depression und Suizidalität können schwerwiegende Nebenwirkungen hormoneller Kontrazeptiva sein.

Eine wichtige hausärztliche Aufgabe im Zusammenhang mit hormonellen Kontrazeptiva ist die Beachtung von Medikamenteninteraktionen. Insbesondere bei Interaktionen, die zu einer Abschwächung der verhütenden Wirkung führen, soll den Patient*innen die zusätzliche Anwendung einer Barrieremethode empfohlen werden. Die Einnahme von Antiepileptika induziert Cytochrom-P450 und erhöht den Abbau von Sexualhormonen. Genauere Informationen zur Verhütung bei Einnahme von Antiepileptika finden Sie in unserem Artikel Epilepsie. Auf die Sicherheit von hormonellen Kontrazeptiva hat die Einnahme von Antibiotika vermutlich keine Auswirkungen (außer bei den enzyminduzierenden Antibiotika Rifampicin und Rifabutin). HIV-Medikamente, HVC-Therapeutika und Johanniskraut können die Wirkung hormoneller Kontrazeptiva beeinträchtigen. Die Wirkungsabschwächung durch Cytochrom-P450-Induktion betrifft auch die hormonelle postkoitale Empfängnisverhütung, darum sollte betroffenen Patient*innen eine doppelte Dosis Levonorgestrel empfohlen oder eine Kupferspirale eingesetzt werden. Hormonelle Kontrazeptiva können auch die Wirkung anderer Medikamente beeinflussen. Dies ist zu beachten bei u. a. Antihypertensiva, Psychopharmaka, Antidiabetika, Diuretika und Schilddrüsenhormonen.

Bei den gelegentlichen Fragen zur postkoitalen Empfängnisverhütung in der Hausarztpraxis geht es meist um die Kostenübernahme und die Empfehlung eines geeigneten Präparates. In den ersten 72 Stunden sollte Levonorgestrel empfohlen werden, weil es dafür längere Anwendungserfahrungen gibt. Ulipristilacetat ist bis zu 120 Stunden nach Geschlechtsverkehr wirksam und kann empfohlen werden, wenn der ungeschützte Geschlechtsverkehr 4 oder 5 Tage zurückliegt. Die „Pille danach“ ist rezeptfrei erhältlich. Sie kann aber bei Frauen unter 18 Jahren ohne Rezeptgebühr und bis 22 Jahre gegen eine Rezeptgebühr von 5 € zu Lasten der GKV verordnet werden. Wichtig ist auch der Hinweis, dass trotz Einnahme einer „Pille danach“ im gleichen Zyklus noch eine Verhütung erforderlich ist.

Marlies Karsch, Chefredakteurin