Flexitarisch, pescetarisch, vegetarisch oder vegan?

Die gesünderen und klimafreundlicheren Ernährungsformen sollten vielmehr in der hausärztlichen Beratung unterstützt werden.

Flexitarisch, pescetarisch, vegetarisch oder vegan?

Thema der Woche, 12.07.2021 von Dr. med. Marlies Karsch
Immer mehr Menschen machen sich darüber Gedanken, wie sich ihre Ernährung auf das Tierwohl von Nutztieren und das Klima auswirkt. Medienberichte über Massentierhaltung und die Zustände in Großschlachtereien haben dazu beigetragen, dass vielen der Appetit auf Fleisch vergangen ist. Häufig sind es die Kinder, die nicht mehr verstehen können, warum jemand Fleisch isst, und die eine Ernährungsumstellung in der Familie einfordern. Laut dem BMEL-Ernährungsreport 2021 hat sich bei den 1.000 Befragten der Anteil derer, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, im Vergleich zum Vorjahr verdoppelt, auf 10 % bzw. 2 %. In dieser Befragung forderten 73 % der Teilnehmer*innen eine artgerechte Tierhaltung und 57 % umweltschonende Produktionsmethoden von der Landwirtschaft.

Menschen, die ihre Ernährungsgewohnheiten ändern, suchen häufig ärztlichen Rat, besonders, wenn sie sich vegan ernähren möchten. Dann sollten Hausärzt*innen gerüstet sein. Unsere Artikel Vitamin-B12-Mangel, Eisenmangelanämie, Jodmangel und Vitamin-D-Mangel liefern hier wichtige Tipps. Flexitarier*innen ernähren sich vollwertig vegetarisch und essen aber wenig oder selten Fleisch, meist aus biologischer Produktion. Hier ist nicht mit Mangelzuständen zu rechnen. Bei einer pescetarischen Ernährung, also bei Verzicht auf Fleisch aber nicht auf Fisch, Eier oder Milch, besteht ebenfalls keine Gefahr einer Mangelernährung, und eine spezielle Beratung zur Ernährung ist nicht erforderlich.

Laut der Deutschen Gesellschaft für Ernährung (DGE) sind die kritischen Nährstoffe bei vegetarischer und ganz besonders bei veganer Ernährung Vitamin B12, Vitamin D, Jod und Kalzium. Ovo-Lakto-Vegetarier*innen können den täglichen Bedarf an Vitamin B12 beispielsweise mit einem kleinen Glas Milch, einem Becher Joghurt, einem Ei oder 60 g Weichkäse decken. Veganer*innen sollten Vitamin B12 supplementieren, mindestens 6 µg täglich. In ihren FAQ empfiehlt die DGE auch, die Vitamin-B12-Versorgung regelmäßig ärztlich überprüfen zu lassen. Bei Kindern sollte auch an eine ausreichende Eisenzufuhr gedacht werden. Die Eisenresorption aus Hülsenfrüchten, Nüssen und Vollkorngetreide kann durch gleichzeitige Vitamin-C-Zufuhr gesteigert werden. Die Jodzufuhr über jodiertes Speisesalz und die Vitamin-D-Synthese der Haut sollten normalerweise ausreichend sein. Bei nachgewiesenem Mangel sollten auch kritische Nährstoffe außer Vitamin B12 supplementiert werden. Außerdem sollte die Ernährung vollwertig sein und Hülsenfrüchte, Gemüse, Vollkornprodukte, Nüsse und Speisepilze enthalten.

Die DGE rät von einer veganen Ernährung im Kindes- und Jugendalter sowie in Schwangerschaft und Stillzeit ab. Das Netzwerk Gesund ins Leben rät dagegen nicht vor einer veganen Ernährung in der Schwangerschaft ab, sondern empfiehlt Schwangeren eine qualifizierte Ernährungsberatung. Laut den Ergebnissen der VeChi-Youth-Studie der DGE ist auch bei Kindern, die sich vegetarisch oder vegan ernähren, die Versorgung mit den meisten Vitaminen und Nährstoffen ausreichend. Besonders Vitamin B12 wird ausreichend supplementiert. Nur die Eisenversorgung ist bei vegan und vegetarisch essenden Kindern deutlich niedriger als bei den sogenannten Mischkostler*innen.

Dass fleischarme, fleischfreie oder komplett pflanzliche Ernährungsformen klimafreundlicher sind als der durchschnittliche deutsche Konsum von 60 kg Fleisch pro Jahr, ist inzwischen wohl allen klar. Eine fleischfreie Ernährung ist außerdem gesünder. Laut der VeChi-Youth-Studie essen vegetarisch und vegan ernährte Kinder mehr Obst, Gemüse, Hülsenfrüchte und Nüsse als Kinder mit Mischkost-Ernährung. Veganer*innen nehmen außerdem weniger Süßigkeiten und Fertiggerichte zu sich. Frühere Vorurteile gegenüber vegetarischer und veganer Ernährung als Ursachen für Eisen- und Vitaminmangel sind bei guter Beratung und ausreichender Supplementierung obsolet. Die gesünderen und klimafreundlicheren Ernährungsformen sollten vielmehr in der hausärztlichen Beratung unterstützt werden. Möglicherweise kann in diesem Zusammenhang auch über die eigenen Ernährungsgewohnheiten nachgedacht werden. Eine Umstellung auf eine flexitarische Ernährung ist zumindest kein großer Schritt, hat aber durchaus eine Auswirkung auf Klima, Umwelt und die eigene Gesundheit.


Marlies Karsch, Chefredakteurin