Nicht nur eine Notlösung für die Pandemie: digitales Lernen

Die digitalen Lösungen der Pandemie könnten für den Schulunterricht, die universitäre Lehre und medizinische Fortbildungen auch in Zukunft eine Bereicherung sein.

Nicht nur eine Notlösung für die Pandemie: digitales Lernen

Thema der Woche, 24.08.2020 von Dr. med. Marlies Karsch
Während des Corona-Lockdowns und auch während der Wiedereinführung von Lockerungen wurde es nötig, verschiedene Formen des digitalen Unterrichts zu etablieren und zu nutzen. Das betraf nicht nur Kinder- und Jugendliche, deren Schulen ganz oder teilweise geschlossen waren, sondern auch Studierende sowie auch Ärzt*innen in Weiterbildung und Ärzt*innen, die sich fortbilden wollten. Schnell wurden mehr oder weniger gute Lösungen gefunden, um Präsenzunterricht an Schulen, Universitäten und im Rahmen von Kongressen und Fortbildungsveranstaltungen durch digitale Lern- und Unterrichtsformen zu ersetzen.

Zur Qualität des digitalen Schulunterrichts kann ich aus eigener Erfahrung sagen: Da ist noch Luft nach oben. Die Schulen sind auf digitale Lernformen nicht gut eingestellt. Die Qualität des Unterrichts hing sehr stark vom Engagement der Lehrkräfte ab. Manche schafften es, wirklich interessante Unterrichtsvideos zu erstellen oder machten sinnvollen Unterricht per Video-Konferenz. Aber einige Lehrer*innen brachten nicht mehr zustande, als den Kindern mitzuteilen, dass sie im Spanischbuch nächste Woche ein bestimmtes Kapitel lernen sollen und der übersetzte Text selbst zu korrigieren sei. Hier stecken noch viele ungenutzte Chancen und Möglichkeiten im System. Für den kommenden Herbst ist zu hoffen, dass nicht technikaffine Lehrkräfte von den Schulen besser unterstützt werden und gute Ideen auch umgesetzt werden. Die sinnvolle Nutzung digitaler Medien für den Unterricht muss selbstverständlich werden.

Homeschooling bei sehr lückenhaftem digitalem Unterricht war für alle Eltern, die diese Lücken ausgleichen mussten, eine große Herausforderung. Kinder, deren Eltern keine Kapazitäten haben, beim Homeschooling zu helfen, werden langfristig auf der Strecke bleiben, wenn der digitale Schulunterricht nicht besser wird. Das gilt insbesondere auch für Kinder, die Schwierigkeiten haben. Es ist sicher für die ganze Familie belastend, ein Kind mit z. B. ADHS zuhause mit unzureichenden digitalen Lehrmaterialien zu unterrichten. Während des Lockdowns war es, wie im Thema der Woche 2020-W24 berichtet, vermehrt zu Kindesmisshandlungen und sexualisierter Gewalt in besonders belasteten Familien gekommen. Und bereits jetzt ist absehbar, dass auch im neuen Schuljahr Präsenzunterricht zumindest teilweise durch Homeschooling ersetzt werden muss.

Die medizinischen Fakultäten sind deutlich besser auf digitale Lehre eingestellt als die Schulen. Seit Jahren gibt es digitale Lernformen, wie z. B. gut etablierte e-Learning-Module. Durch zusätzliche Onlineformate konnten auch während der Einschränkungen durch die COVID-19-Pandemie zumindest theoretische Aspekte unterrichtet und auch geprüft werden. Der praktische Teil der universitären Lehre blieb jedoch weitgehend auf der Strecke, auch wenn z. T. aufwändige Simulationen erstellt wurden. Da die praktische Ausbildung am und mit Patient*innen den wichtigsten Teil eines Medizinstudiums ausmacht, kann digitales Lernen nur eine Ergänzung, aber keinen Ersatz für den Präsenzunterricht darstellen. Auch bei Optimierung aller Online-Formate ist zu befürchten, dass die jetzige Generation der angehenden Ärzt*innen pandemiebedingt erhebliche Verzögerungen und möglicherweise große Lücken in ihrer Ausbildung hinnehmen muss.

In Zeiten abgesagter oder verschobener Fortbildungsveranstaltungen und Kongresse hat das Institut für hausärztliche Fortbildung im Deutschen Hausärzteverband aus der Not eine Tugend gemacht. Mit beeindruckender Geschwindigkeit wurden Webinare, also Online-Fortbildungen für Hausärzt*innen und Ärzt*innen in Weiterbildung, organisiert und bereitgestellt. Diese Veranstaltungen wurden sehr gut angenommen. Da nicht nur eine Pandemie ein guter Grund dafür ist, eine Fortbildung am heimischen PC zu besuchen, bleibt zu hoffen, dass dieses Format auch in Zukunft bestehen bleibt. Online-Fortbildungen sind einfach zeitsparend und immer sehr gut mit Arbeit und Familie zu vereinen. Obwohl der persönliche Austausch mit Kolleg*innen auf Fortbildungsveranstaltungen ebenfalls sehr wichtig ist, sind Webinare in jedem Fall als dauerhafte sinnvolle Ergänzung wünschenswert.

Marlies Karsch, Chefredakteurin